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Kommentar: Bund rechtfertigt Zeitkomponente mit frechen Argumenten

Aktualisiert: 14. Sept. 2023

Der Bundesrat hat gestern eine Stellungnahme zu seinem Tarifeingriff in der Physiotherapie veröffentlicht. Das Hauptargument ist nun die Transparenz, von den Kosten ist keine Rede mehr. Eine Zeitkomponente, sprich im Tarifvertrag festgelegte Behandlungsdauern für die Sitzungen, sollen gegenüber Patienten und Krankenkassen Transparenz schaffen.



Im Bericht zur Vernehmlassung vom 16. August 2023 steht geschrieben: «Die aktuell gültige Tarifstruktur ist rund um Sitzungspauschalen aufgebaut ohne Angabe der Sitzungsdauer. Dadurch ist es möglich, dass Sitzungen absichtlich verkürzt werden, insbesondere um der steigenden Nachfrage nach Leistungen gerecht zu werden.» Und die hohen Kosten werden so begründet: «Diese Situation ist hauptsächlich auf einen Anstieg der Anzahl an Konsultationen zurückzuführen, was auch durch die Verkürzung der Sitzungsdauer begründet werden kann.»


Neu soll deshalb eine Zeitkomponente «um insbesondere die Transparenz gegenüber Versicherten und allen Akteuren zu erhöhen.» Die Massnahme werde «den Anreiz, die Sitzungen abzukürzen – und damit die Anzahl Konsultationen und die Kosten zu erhöhen – reduziert oder ganz eliminiert».


Im Bote der Urschweiz vom 4. September wird Pius Zängerle, Direktor des Versicherungsverbandes Curafutura zitiert: «Zu viele Sitzungen würden angeordnet, die Physiotherapien schöpften diese meistens aus, und bei den Behandlungen würden fast doppelt so viele Minuten abgerechnet, als diese gedauert hätten. Das trage zur Kostensteigerung im Gesundheitswesen bei.»


Reden der Bund und die Krankenkassen von der Physiotherapie-Mafia?


Das sind schwere Unterstellungen an einen ganzen Berufszweig, der wie kaum ein anderer von Idealismus, uneigennützigem Engagement und intrinsischer Motivation über Wasser gehalten wird. Schwer vorstellbar, dass diese Branche so von krimineller Energie getrieben wird.


Das Physiotherapie-Studium dauert vier Jahre. Viele Physios haben unzählige selbst bezahlte Weiterbildungen auf dem Buckel. Das alles für einen Lohn, der seit 25 Jahren derselbe und tiefer ist, als der von einer Maniküre-Fachperson.


Jetzt könnte man sagen: Not macht erfinderisch. Klar, schwarze Schafe gibt es überall. Aber Physios sind definitiv nicht aus dem Holz, aus dem Betrüger geschnitzt sind. Gründe für unterschiedliche Behandlungsdauern gibt es aus physiotherapeutischer Sicht viele. Aber darum soll es jetzt nicht gehen.


Es geht um das fadenscheinige Argument der Transparenz. Diese Begründung rückt eine ganze Branche in ein falsches Licht. Die veröffentlichten Texte des Bundes behaupten, dass der Kostenanstieg ein Resultat der Betrügereien der Physios seien. Das ist so lächerlich, wie die Massnahme dagegen: Eine Zeitkomponente.


Transparenz entsteht nicht durch dadurch, dass man vorschreibt, wie sich Menschen zu verhalten haben. Sondern indem man vorschreibt, dass sie ihr Verhalten offenlegen. Sprich: In der Physiotherapie brächte nicht eine aufgezwungene Behandlungsdauer Transparenz, sondern eine vorgeschriebene Zeitdeklaration auf der Rechnung. Das wäre eine einfache Massnahme, wie sie auch von Ärzten umgesetzt wird.


Eine Zeitkomponente zeigt nur auf, wie lange eine Therapie gedauert hat. Aber nicht, wie erfolgreich sie war. Die Qualität sollte der Gradmesser für eine Behandlung sein und nicht deren Dauer.


Es ist unverständlich und frech, wie der Bund die Physiobranche abstempelt – und dann noch eine Lösung vorschlägt, die nicht zielführend ist.


2 Kommentare

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2 commentaires


tinebaer
21 sept. 2023

Wie kommt denn der Herr zu der Aussage "doppelt so viele Minuten ...als diese gedauert ..."Verordnungen ausschöpfen" ...???

Ich kenne keinen Einzigen der das macht... !

Von wieviel Prozent Therapeuten redet er denn da? Wie hat er das denn überprüft?

Warum stehen nicht die Krankenkassen an vorderster Front und sagen: Macht mehr Physio! dann können wir Kosten sparen.... Komisch oder 😉 da ist doch was faul, oder ?


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Hilde Reygel
Hilde Reygel
13 sept. 2023

sorry

sollte man Personen wie der Herr von Curafutura verklagen wegen verleumdung?

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